186
Alte Geschichte.
fortgesetzte erkräftigte Tugend federte und möglich machte; sie stellte das
durch Glauben und Denken vergeblich Erstrebte in seiner Urkraft auf und
führte auf ein unmittelbares Wissen; sie öffnete das unerforschte Heilig-
thum der menschlichen Natur. Das Christenthum vereinte Morgenland
und Abendland; von einer in örtlicher Enstehung einseitigen, sich auf das
reiche prophetische Hoffnungsystem stützenden jüdischen Messias-Sectc er-
hob es sich zur allmählig wirksamen sittlichen Familien-Religion in drcy
Wclttheilen. Die Religionduldung im römischen Reiche, die Verträglich-
keit des Polytheismus mit neuen Lehren, die Allgemeinheit der griechischen
Sprache, die Zerstreuung der Juden in alle Gegenden, die bey stumpfer
Gleichgültigkeit, muthwilligem Spott und kalter Zweifelsucht in Ansehung
der verborgenen wichtigsten Angelegenheiten des menschlichen Herzens im-
mer tiefer wurzelnde Neigung zum geheimen Wunderbaren, die Standhaf-
tigkeit der Märtyrer und viele andere Umstände wirkten gemeinschaftlich
mit, daß der von Juden gehässig verleumdete und von Heiden als jüdi-
scher Fanatismus oder staatsgefährlichcr Atheismus nrißverstandene Chri-
stianismus schnell von Asien, Griechenland und Aegypten aus verbreitet
wurde; schon im dritten Jahrhundert waren Christen die bedeutendste Re-
ligionparthey im röm. Reiche; und in Erhebung des Christenthums zur
Staatsreligion durch Constantinus M. (s. §. 38) lag die, vielleicht
mit späterer eigener Ueberzeugung zusammeutreffende Anerkennung gebie-
terischer Zeitverhältnisse. Besonders wohlthätig wirkte das Christcnthum
auf Germanen; es milderte ihre Sitten, veredelte ihre Denkart und
machte sie zu fortschreitender Vervollkommnung des bürgerlichen Lebens
und der Staatsverfassung geneigt. Mag auch viel durch Menschen-Trotz
und Wahn an der Herrlichkeit der Gabe Gottes verkrüppelt und verdorben
worden seyn; das Heilige, bewahret im Tempel des kindlichen Gcmüths,
konnte nicht verdrängt werden. Der Baum Gottes, in dessen Schatten
die Menschheit Schutz gegen Sturm und Gluth der Zeiten findet, ist für
die Ewigkeit gepflanzt; die Blätter des Truges fallen ab; die Frucht
gedeiht.
1) Heilige Schriften und Lehrherkommen Richtmaaß des Glaubens. Einfache
Gebräuche vermischt s. 80? mit heidnischen und drückend vermehrt nach 315.
Beschauliches Leben, Mönche s. 330. — In des Christenthums Geschichte
zu unterscheiden: Religion u. Theologie; Cultus, Liturgie u. gesellschaftliche
Werfassnng. — Scriptores historiae ecclesiasticae gr. cura Ii. Yalesii. Pa-
ris 1659. 3 F.; ecl. G. Reading. Cambridge 1720. 3 F. — Gottfr. Ar-
nold 1699; I. L. v. Mosheim 1755 fll.; I. M. Schröckh 1768 fll.;
H. Ph. C. Henke 1788 fll.; L. T. Spittler 1782. 5te Aufl. 1812; W.
Mü nsch er 3te Aust. 1826; I. C. L. Gi esele r 1824 f.; A. Neander
1825. f. U. v. a. — J. A. Fabricii salutaris lux Evangelii loti orbi exo-
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Iv. Rom.
18*
riens. Hamb. 1731. 4; T. Rothe Wirkung des Christenthums auf den.zu-
stand der Völker in Europa. Kopenh. 1775 fit. 4. 8.
2) Gemeinde in Jerusalem und nach deren Vorbild andere Gemeinden mit de-
mokratischer Verfassung; Vorsteher und Lehrer haben wohlverdienten Einfluß;
durch Ansehen der Oberlehrer und Synoden entwickelt sich allmahligsvor 200]
Bischofsherrschaft. Eine Gemeinde erhebt sich über die andexe: Rom (Leo 1
s. 440; Gelasi us 1 s. 492), Alexandreia, Antiocheia, Konstantinopel, Je-
rusalem. Versuche zur Vereinigung der in Vorstellungen und Verfassung von
einander abweichenden Gemeinden; katholische Kirche Inbegriff der unter sich
verbundenen Gemeinden, von welchen Häretiker und Schismatiker ausgeschie-
den werden; darin der Grund zur Hierarchie, welche Jahrhunderte lang als
Erziehungmittel roher Völker sehr wvhlthatig gewirkt hat. Vergl. * G. I.
Planck Gesch. der christlichen kirchlichen Gesellschaft-Verfaffung. Hannover
1803 fll. 6. 8. — S. oben §. 38 N. 4.
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Extrahierte Personennamen: T._Rothe Leo Leo Planck
Extrahierte Ortsnamen: Rom Europa Jerusalem Rom Alexandreia Antiocheia Konstantinopel Hannover
I. Reformation - Zeitalter.
S9»
und allgemeiner Unwille über Verunstaltung des Heiligen und über Un-
sittlichkeit und schnöden Uebermuth der Geistlichen, begegneten und befreun-
deten sich in der Reformation der christlichen Kirche; unzählig Viele,
welche alle Abweichung vom kirchlichen Herkommen mißbilligten und alle
neue Lehre haßten, trugen die Grundsätze, aus welchen dieselbe geflossen
war, als Richtschnur des Lebens, in ihrem Herzen. Der kühne Tadel,
welchen Martin Luther Hfl d. 31 Oct. 1517] und Ulrich Zwingli
schon früher [s. 1516] das von menschlichen Zusätzen gereinigte Evange-
lium in seinen Kreisen verbreitend, über schamlose Ablaß-Trödeley laut
werden ließen, wurde zurvolksangelegenhekt, als P. Leo X eine gelehrte
Streitigkeit aus den Hörsälen in die kirchlichen Gerichtshöfe gezogen, und
K. Carl V eine theologische Verhandlung für Reichs - und Staatssache
erklärt hatte; so ward die Losung gegeben zu einem beharrlichen Kampfe
gegen päpstlichen Despotismus und kirchlich-theologischen Starrsinn, zu
einem Reinigungversuche des seit Jahrhunderten vielfach verunstalteten
und durch Kunstbau selbstsüchtiger Hierarchie den edelsten Bedürfnissen
der Menschheit entfremdeten Christenthums, und weniger zur Bildung als
zur engeren Vereinigung und äusseren Erscheinung einer schon lange im
Stillen vorhandenen Partey, welcher sittliche Ueberzeugung von dem, was
Gottes Wille und menschliche Bestimmung ist, mehr gilt, als menschliche
Machtentscheidung und willkührliche Befehle. Religion und Politik ver-
schmolzen, wie gewöhnlich, in einander; es traten zwey, fast über ganz
Europa verbreitete Systeme einander gegenüber und bestimmten diehand-
lungweise und die gegenseitigen Verhältnisse der ihnen ungehörigen Staa-
ten. Das vielherrige Teutschland, eben hierdurch Wiege und Schutz-
stätte der Reformation, sah die lange erstrebte freye Macht seiner Fürsten
gegen kaiserliche Obergewalt [1552; 1555; 1648] sichergestellt und den
Protestantismus zum Stützpunct gegen jedwede Beeinträchtigung seiner
freyen Bundesverfassung erhoben; Holland erkämpfte gegen Spanien
[1565; 1579; 1581 — 1609; 1621 — 1648] Freyheit des Glau-
. bens, der Verfassung und des Handels7 England brach die Machtwill-
kühr der krypto-katholischen und von theolog. Despotismus-Wahne ge-
blendeten Stuarte [ 1649] und erhob sich als Freystaat [1650 —
1659] zur Herrschaft über die Meere; in Schweden und Dänemark
erlagen [1527] Hierarchie und zuletzt auch Aristokratie dem Protestantis-
mus und neue Throne wurden auf seine Grundsätze gegründet; nach lan-
gem Kampfe entstand durch Unterdrückung der protestantischen Opposition
[1572; 1629; 1685] unumschränkte Königsmacht in Frankreich. —
Die Bevestigung und das frey-kühne Hervortreten einer öffentlichen Mei-
nung, die Annäherung der Fürsten und des Volkes, die fortschreitende
Veredlung des gesellschaftlichen Geistes und Lebens (deren Keime zuerst
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Extrahierte Personennamen: Martin_Luther Ulrich_Zwingli Leo_X Leo Carl_V
Extrahierte Ortsnamen: Gottes Europa Holland Spanien England Schweden Frankreich
326
Neuere Geschichte.
hartnäckige' Verfolgung der Freysinnigen. Durch übermüthige Frey-
denkerey drohte der Protestantismus in willkührlichen Deismus aris-
zuartcn; viele Kirchen standen verödet; der Warnungruf treuer Diener
Gottes verhallte in der Wüste; die Bibel war vergessen oder wurde dem
Zeitgeschmäcke gemäß verbessert und umgearbeitet. Der gedankenlose
Dienst des Katholicismus konnte nur den eigentlich Unmündigen genügen
und auch über das unantastbare alte Herkommen dieser Kirche erging ein
schweres Gericht. Die durch den Kampf zwischen schwärmerisch-strengen
Jansenisten (B. Jansen ft. 1640; Pascal 1662; Pasch. Ques-
ncl 1687 ; 1702; Port-Royal zerstört 1709; Bulle Unigenitus d. 8
Sept. 1713) und ehrgeizig-habsüchtigen Jesuiten und durch unvorsich-
tige und verunglückte Anmaaßungen der römischen Curie [1700 flí.;
1730 flí.; 1758 flí.] ihrem Untergange genäherte päpstliche Macht erlitt
den Todesstreich, als Clemens Xiv Ganganelli, fgeb. 1705; Card.
1769; P. d. 21 Jul. 1773; st. d. 24spt. 1774] von den durch einen
Familien-Vertrag fd. 15 Aug. 1761] eng verbundenen Bourbon'schen
Höfen genöthigt wurde fden 16 Aug. 1773], den schon früher fd. 3
Sept. 1759] aus Portugal von Pombal, aus Spanien fden 2 Apr.
1767], Parma und Neapel fjan. 1768] verbannten, in Frankreich
fl 762] durch Rechtsspruch verurtheiltcn Jesuiten-Orden aufzuheben.
Joseph Ii teutscher Kaiser nach seines Vaters Fra n z I Tode fd. 18 Aug.
1765], mit redlichem Ernste das Bessere wollend, durch übereilte Rasch-
heit sich Undank und seinen Werken Umsturz bereitend, hob [1781] die
Verbindung der Orden mit dem Papste auf und machte den Klerus von
der weltl. Macht abhängig; P. Pius Vi Reise nach Wien [1782], fast
gleichzeitig mit der Reise des Dalai-Lama aus Thibet nach Peking, vol-
lendete die Demüthigung der weiland allmächtigen geistlichen Hoheit.
Nie. v. Hontheim st. 1790: Febronius de slatu ecclesiae et legitima po-
tes täte R. P. 1763 fit. 4. 4; Comment. in suam relraclalionem 1781. 4.—
Nunciatur in München 1785; Emser Congreß 1786 ; Synode zu Pistoja
1788. — liebet- Pius Vi s. 1775 st. den 22 Aug. 1799: P. Ph. Wolf
1793 und *Bourgoiug 1800; vgl. Dohm Denkm. 2 S. 312 f.— lieber
Joseph's Ii Kirchenges. Teller N. Mag. 3, 2 S. 208 fll. — lieber-
haupt verdienet volle Beachtung L. C. Ko pp d. kath. Kirche im 19 Jahrh.
Mainz 1830. 8.
118) Großbritannien's Reichthum und Macht wuchsen unter
Georg Iii [s. 1760] durch Welthandel und besonders durch Vergröße-
rungen in Ostindien; hier waren aus dem, noch bis zum Tode des Kaisers
Aurengzeb [1660 ; st. 1707] Ungeheuern Reiche des Groß-Moguls
viele kleine unabhängige Staaten hervorgegangen und theils durch die sich
erhebenden Maratten, theils durch den Einfall des Persers Nadirshah
TM Hauptwörter (50): [T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T34: [Krieg Frankreich England Deutschland Preußen Frieden Rußland Napoleon Kaiser Jahr]]
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Einleitung
26
9ten Jahrh. ist aus K. Alfred's Uebersetzung ihres Tagebuchs be-
kannt. Die Oströmer lernten Asiatische Nomaden auf ihren Zügen nach
dem Westen, und germanische und slavische Völkerstämme an den Gren-
zen ihres hart bedroheten Staates, oft sehr genau in der Nähe kennen
und unterhielten eine freilich immer sichtbarer erschlaffende Verbindung
mit Vorder-Asien. Aber dieser und anderer reicher Zuwachs an geogra-
phischer Erfahrung gedieh nirgends auch nur zu äußerer Einheit, viel we-
niger zu zusammenhängender Verarbeitung. Für die sogenannte wissen-
schaftliche Geographie blieb das, von Kosmas [550] nach biblischen
Grundsätzen umgestaltete Ptolemaische System Haupt-Grundlage, wurde
jedoch bald durch Zumischung unhaltbarer Voraussetzungen, mißverstande-
ner Berichtigungen und mancher Fabeln bis zur Unkenntlichkeit verun-
staltet. Die fleißige und zu vollständigerem Unterrichte über Persien,
Indien und Aegypten nicht unfruchtbare Zusammenstellung des Guido
vonravenna aus dem 9ten oder lotenjahrh.ist nur in dem mißlungenen
Auszuge eines Ungenannnten vorhanden und Nikephoros Blemmy-
des [1245] Abriß der Geographie (herausg. von F. A. W. Spohn,
Lpz. 1818. 4.) wiederholt ältere Nachrichten. Mannigfache Bereiche-
rungen der Erd- und Völkerkunde sind christlichen Sendboten und Bekeh-
rern, den Kreuzfahrern, und seit der Mitte des 13ten Jahrh. aus poli-
tisch-religiösen oder kaufmännischen Absichten nach Asien geschickten, auch
sreywilligen Reisenden zu verdanken; und als der Compaß im 13ten
Jahrh. [ 1255] in Sicilien in Gebrauch kam, wurden von Jtaliänern
größere Seefahrten unternommen, und von Portugiesen, unter Leitung
des Prinzen Heinrich [1418— 1460], planmäßige Entdeckungen an
der Westküste Afrika's und im westlichen Meere, mit glücklichem Erfolge
versucht. Die besonders in Italien vermehrten bildlichen Darstellungen
der Erdkugel und einzelne Land- und Seekarten nahmen nun eine andere
Gestalt an.
C. Krui'e Atlas zur Uebersichl der Gefclilchle aller eurdpäifckeri Staaten.
Halle 1802fit. 4 Hefte; Ii.a. 1818; Iii. A. 1823; Iv. A. 1827. V. A.
1834; *6. v. Spruner hist, geogr. Hd-Atlas. Gotha 1837. F.
Byzantiner. Geschichtschreiber des Mittelalters; Briefe. Acta Sanciorum.
Kirchliche Geographie: Chronicon Gollwiceuie; viele Jahrbücher von Klö-
stern und kirchl. Stiftungen.
Minorité» und Dominicaner s. 1246: Voyages laits principalement en Aile
dans le Xii — Xy siècles. Haag 1735. 4. — *Ma rco Polo 1270 in
Ramusios Samml. B.2.; ill. e coriimeiitati dal C. Baldelli. Florenz
1827 f. 4. 4; I. Mandeville 1327; I. Schildberger 1400 u. m. a.
Marino Sanudo 1308; Andrea Bianchi 1436; Fra Mauro 1455;
Martin Behaim 1500.
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104
Indeß dauerten die unglückseligen Ländertheilungen, Täu-
schungen, Versetzungen und Einlösungen fort; abhängige
Herzöge beerbten, beneideten und bekriegten sich unter ein-
ander, und nur wenige führten ein würdevolles Leben.
Karls Sohn und Nachfolger, der Kaiser (bis 1400) Wen-
zel (1378 bis 1419), war erst 17 Jahr, als er beide
Throne bestieg. Er hatte eine gute Erziehung genossen,
war nicht ohne Kenntnisse, wurde aber durch schlechte Rathe
irre geleitet, durch zweimal beigebrachtes Gift, das einen
nicht zu stillenden Durst zur Folge hatte, zum Trünke ver-
leitet, und so ward er ein Regent, dessen Nachlässigkeit,
allmälige Ungeschicktheit und Grausamkeit ihm allgemeine
Verachtung zuzog, und seinen Unterthanen sehr nachtheilig
wurde. Den Geistlichen war er überhaupt nicht geneigt,
ob ihres ungeistlichen Lebens, und 1383 ließ erden Johann
von Nepomuk in die Moldau werfen, weil dieser ihm die
Beichte seiner Gemahlin nicht sagte. Er erlaubte nicht nur
die schandbare Plünderung des Doms bei Gelegenheit des
Bierstreits (1381), *) sondern nahm selbst Theil daran.
Viele Lotterer und Räuber bildeten sich unter seiner Regie-
rung in Schlesien; und in Breslau herrschten von 1395
an viele innere Unruhen. **) In Prag trat 1408 Huß
auf, griff das Ansehen des Pabstes, die schlechten Sitten
der Geistlichen und den Gebrauch des Abendmahls unter
einerlei Gestalt an, ward 1415 zu Kostnitz, wohin ihm
der Kaiser Siegismund einen Geleitsbrkef zur Sicherheit
ausgestellt hatte, verbrannt; was man 1416 auch mit
seinem Freunde Hieronymus von Prag that, weil die geist-
lichen Väter das Verbrennen leichter fanden, als das Un-
tersuchen und Widerlegen von Hussens Lehren; doch wurde
dadurch grade seine Parthei zum Aufstande gebracht. Im
*) Man vergleiche: Or. Harnisch ,, Schlesien,^ Aufs. Xvi.
") Man vergleiche: Or. Harnisch „Schlesien," Aufs. Xvii.
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Extrahierte Personennamen: Karls Johann
von_Nepomuk Johann Hussens
Extrahierte Ortsnamen: Karls Schlesien Breslau Prag Prag Schlesien
116
Hussiten schwer büßen müssen; sie gingen jetzt den übrigen
in Annahme der evangelischen Lehre *) voran, indem sie
1623 Johann Heß an die Maria-Magdalena-Kirche be-
riefen. Der damalige Bischof Thurzo, so wie seine ersten
Nachfolger, wehrten nicht, und die vordringenden Türken
nützten, wie in ganz Deutschland, so auch in Schlesien,
dem Evangelium. Die Bettelmönche verließen von selbst
ihre Klöster, und Friedrich Ii. von Liegnitz bekannte sich,
gleich den Breslauern, öffentlich für Luther. Der Mark-
graf Georg von Brandenburg-Anspach hing mit ganzem
Herzen an der neuen Lehre und verbreitete dieselbe in Ober-
schlesien. Bald aber trat auch Schwenkfeld (zu Ossig im
Lübenschen) auf, und bildete eine Parthei.
Wie die evangelische Lehre durch manche Fortschritte in
den Wissenschaften und in dem Leben vorbereitet war, so
hatte sie auch dieselben im Gefolge. Die Wissenschaften
verbreiteten sich durch Druckereien und Schulen. Die erste
Druckerei in Schlesien ward 1608 in Breslau angelegt.
Statt der Fehden traten Gerichtshöfe ein, z. B. Mannge-
richte, Schöppengerichte und Fürstengerichte; an die Stelle
der Turniere Meinungsstreite (äisxutatiouss).
Neunzehnter Abschnitt.
Schlesien unter Böhmischen Königen aus dem
Hause Habsburg - Oestreich. 1526 —1740.
(Fünfter Zeitraum.)
Ferdinand von Oestreich, Ludwigs Schwager, bestieg
1626 den Böhmischen Thron, und ward so Herr von
Schlesien. Er erließ bald eine harte Verordnung **) gegen
*) Man vergleiche: Or. Harnisch „Schlesien,^ Aufs.xxiii.
**) Man vergleiche: Or. Harnisch „Schlesien,^ Aufs. Xxiii.
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Extrahierte Personennamen: Johann_Heß Johann Bischof_Thurzo Friedrich_Ii Friedrich Georg_von_Brandenburg-Anspach Ferdinand_von_Oestreich Ferdinand Ludwigs_Schwager Ludwigs
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Schlesien Liegnitz Schlesien Breslau Oestreich Schlesien
Verfall des Judenthums.
85
der Gottesfurcht zeigten sich nur sehr spärlich. Die Herrscher waren
grausam und ihren Lüsten ergeben, das Volk ward unter solchen Für-
sten störrig und widersetzlich. Alexander Jannäus, einer der blutdür-
stigsten dieser Regenten, führte sechs Jahre lang gegen die widerstreben-
den Juden Krieg, und 50,000 fanden ihren Tod. Einmal nahm er
800 Juden gefangen; diese ließ er nach Jerusalem bringen, und wah-
rend er dort an üppiger Tafel mit seinen Weibern und Genossinnen
schwelgte, ließ er die Gefangenen kreuzigen und zu gleicher Zeit ihre
Weiber und Kinder vor ihren Augen umbringen.
Es ist zu verwundern, daß bei solcher Mordlust seiner Fürsten das
Volk nicht ganz verwilderte. Die edleren Keime der Religiosität wa-
ren trotz alles Eifers für die Religion doch erstickt. Man kann nicht
sagen, daß die Juden ihre heiligen Schriften gering geschätzt hätten,
nein, das Gesetz wurde vielmehr hoch in Ehren gehalten; aber man
hielt mehr an dem Buchstaben, als am Geiste desselben. Ein Rabbi
(d. h. Lehrer) nach dem andern kam und legte es aus, und jeder fol-
gende wollte immer mehr heraussinden, als alle seine Vorgänger; da
geschah es denn, daß bei dem maßlosen Zergliedern des göttlichen Wor-
tes der Geist des Wortes mit seiner Kraft so ganz entschwand, wie
der Blume, deren wohlvereinte zarte Blüthenblätter bis auf die ein-
zelnsten Fasern auseinander gelegt werden, nicht die Schönheit allein,
sondern ihr ganzes Wesen genommen wird. Im Norden von Jerusa-
lem war die Landschaft Samaria. Die Bewohner derselben stammten
von solchen Juden ab, die es vorgezogen hatten einst zur Zeit der ba-
bylonischen Gefangenschaft, in ihrem Vaterlande zu bleiben und es mit
den einwandernden Heiden zu theilen. Darum wurden die Samarita-
ner von den übrigen Juden verachtet, ihr Umgang ward gemieden,
man nannte sie Abtrünnige und Sünder. Unter den Juden selbst, die
sich für rechtmäßige Nachkommen Abrahams hielten, war auch kein
Friede. Es entstanden unter ihnen vornämlich drei Parteien: die Pha-
risäer, Sadducäer und Essäer. Jede derselben hielt ihre Lehre
für besser, als die der andern. Den meisten Einfluß auf das Volk
hatten die Pharisäer, welche überall ihre Gesetzmäßigkeit darzulegen
suchten und Alles aufboten, um für fromm gehalten zu werden. Weil
sie bei ihrem Glauben sich jederzeit auf die Sprüche der heiligen Schrift
beriefen, so standen sie bei dem Volke, das sie für fromm hielt, trotz
ihrer augenfälligen abscheulichen Heuchelei, in Ansehen. Für fromm
galt, wer den gottesdienstlichen Versammlungen eifrig beiwohnte, dar-
um setzten sie sich gern oben an in den Schulen oder Synagogen,
wo sie ihre Frömmigkeit zur Schau trugen; für fromm galt, wer viel
Almosen gab, darum stellten sie sich an die Ecken der Straßen, wo sie
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T26: [Gott Christus Christ Volk Herr Jahr Kirche Land Zeit Jude], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser]]
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Extrahierte Personennamen: Alexander_Jannäus Alexander Abrahams
durch Paulus.
91
um seines hehren Berufes willen freiwillig übernahm, stärkten die Ueber-
zeugung, daß das Evangelium eine Kraft Gottes sei; die Hoffnungen
endlich auf eine ewige Herrlichkeit, welche in den Gemüthern derer
entzündet wurden, die ihre Herzen ihm darboten, gewannen dem Evan-
gelium eben so freudige, als treue Bekenner. Darum breitete es sich
immer weiter aus. Diejenigen, welche ihm Glauben schenkten, wurden
von dem Apostel weiter im Christenthum unterwiesen. Auch wenn er
sie verlassen mußte, suchte er doch noch in einer gewissen Verbindung
mit ihnen zu bleiben. Er zog an andern Orten, wo es sich thun ließ,
Nachrichten über sie ein; dankte Gott voll inniger Freude, wenn er
erfuhr, daß sie im Christenthum beharrten und in Erkenntniß fortge-
schritten seien; es betrübte ihn aber tief, wenn ihm die Botschaft wurde,
daß Viele wieder abtrünnig geworden seien oder ein unchristliches Leben
führten. An mehrere Gemeinden und an einzelne Männer schrieb er
aber auch Briefe, bald längere, bald kürzere. Dabei nahm er Bezie-
hung auf die Verhältnisse, die er erfahren hatte. Demgemäß wurden
die Briefe bald ermunternd, wenn Kleingläubigkeit in den Gemeinden
sich kund gab, bald warnend, wenn der Apostel die Gefahr des Abfalls
vor Augen sah, bald strafend, wenn Sünde und Laster wieder Eingang
gefunden hatten in den Herzen, die der Sünde abgestorben fein sollten;
immer aber waren sie reich an Belehrungen. Diese Episteln des Pau-
lus wurden in der Folge gesammelt und mit den Briefen anderer
Apostel zusammengestellt, wie wir sie in unserem neuen Testament
jetzt noch finden*).
Die christlichen Gemeinden.
§ 56. Ein Jeder, der nach der Predigt der Apostel in Jesu
Christo den Sohn Gottes erkannte und in ihm den Grund seines Heiles
fand, wurde, wenn er diesen Glauben bekannte, durch die heilige Taufe**)
*) Sie sind nicht in der Reihenfolge geschrieben, in welcher sie unsre Bi-
bel enthält, sondern hier sind sie auf eine sehr willkürliche Weise ge-
ordnet worden. Zuerst stehen nämlich die Briefe, welche an ganze
Gemeinden gerichtet sind; unter diesen stehen die Briefe an die Rö-
mer und die Korinther obenan, weil Rom und Korinth die beiden
wichtigsten Städte jener Zeit waren; dann folgen die an Gemeinden in
Städten von geringerer Bedeutung; darauf die an einzelne Personen.
Der kurze Brief, welchen der Apostel wegen eines entlaufenen Sklaven
an Philemon schrieb, mußte nach dieser Anordnung die letzte Stelle
erhalten.
**) Die Taufe war schon vor Christo gewöhnlich, denn auch Johannes taufte
ja. Sie fand aber in anderer Weise statt, als bei uns. Die Täuf-
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T26: [Gott Christus Christ Volk Herr Jahr Kirche Land Zeit Jude], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz]]
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Extrahierte Personennamen: Apostel Apostel Apostel Apostel Apostel Christo Johannes
Extrahierte Ortsnamen: Christenthum Erkenntniß Jesu
Christo Gottes Rom Korinth
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Einrichtungen der
in die Gemeinschaft der Gläubigen ausgenommen. Die Christen eines
Ortes zusammengenommen bildeten eine Gemeinde. An der Spitze
derselben befand sich ein Vorsteher, der entweder von seinem Amte den
Namen Episkopus, d. h.aufseher, erhielt, oder den man Presbyter,
d. h. Aeltester, nannte, weil gewöhnlich ältere und erfahrene Männer
zu diesem Amte gewählt wurden.*) **) Erst in späterer Zeit wurde zwi-
schen beiden Namen ein Unterschied gemacht und dem Bischöfe ein
höherer Rang beigelegt, als dem Presbyter. Außer den genannten Vor-
stehern gab es in den Gemeinden noch andere Männer und Frauen,
denen bestimmte Geschäfte zugewiesen waren, z. B. Al mosen pfleg er,
Diakonen, d. h. Diener, und Diakonissinnen, d. h. Dienerinnen.
An gewissen Tagen versammelten sich die Gemeindeglieder, nicht in
Kirchen, denn solche hatten sie damals noch nicht, sondern in Privat-
Wohnungen. Regelmäßig fanden, wenigstens bei den Judenchristen
(d. h. bei den Christen, die früher Juden gewesen waren) diese Versamm-
lungen am Sabbath statt; doch kamen die Christen oft auch des
Sonntags zusammen, denn dieser Tag, an welchem der Herr aufer-
ftanden und an welchem der heilige Geist über die Jünger ausgegossen
war, war ihnen so theuer, daß vor ihm in späterer Zeit sogar der
Glanz des jüdischen Sabbaths erblich. Außerdem wurde, wie bei
den Juden, so auch von ihnen das Osterfest gefeiert, doch unter
anderer Bedeutung, nämlich als das Fest der Auferstehung Jesu, das
Himmelfahrtsfest zum Andenken an das Scheiden Jesu von der
Erde, und das Pfingstfest zur Erinnerung an die Ausgießung des
heiligen Geistes. Die übrigen Festtage, welche wir jetzt noch feiern,
linge, deren größere Zahl Erwachsene waren, wurden förmlich unter
das Wasser getaucht. Darum sagt auch der Apostel Paulus von denen,
die getauft worden sind: „sie sind begraben worden durch die Taufe;"
denn wer unter das Wasser getaucht wird, der erscheint wie von den
Wellen begraben. — Der Gebrauch, den Täufling bloß mit Wasser
zu besprengen, wurde erst viel später eingeführt und war tausend Jahr
nach Christi Geburt noch nicht allgemein; in der griechisch-katholischen
Kirche, zu welcher sich die Russen bekennen, ist jetzt noch das Untertau-
chen bei der Taufe gewöhnlich.
*) Beide Namen sind, freilich in etwas veränderter Form, in unsere
Sprache übergegangen, denn von Episcopus stammt das Wort Bischof
und von Presbyter das Wort Priester her. — Auch der Name Pastor,
d. h. Hirt (nämlich Hirt der christlichen Gemeinde) wird von solchen
Vorstehern gebraucht. Daher heißen auch die Briefe, welche Paulus
an den Timotheus und Titus schrieb, Hirtenbriefe oder Pasto-
ral-Briefe.
TM Hauptwörter (50): [T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T26: [Gott Christus Christ Volk Herr Jahr Kirche Land Zeit Jude], T69: [Kirche Kloster Stadt Schule Bischof Gemeinde Orden Land Priester geistliche], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit]]
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